Warum wir uns als weiße Menschen aktiv mit Antirassismus befassen müssen...

(Im folgenden Eintrag wir das Wort Schwarz in Bezug auf Menschen groß geschrieben, so wie ich es von der Autorin Brigitte Lunguieki Malungo in ihrem Buch "Meine Haut packt aus" lernen durfte. Warum das so ist erfahrt ihr in ihrem Buch und gleichnamigen Hörbuch.)

 

Vor zehn Jahren saß ich im Wohnzimmer meiner Zweier-WG in Köln-Nippes und suchte nach einer Person, die bei mir einziehen würde, nachdem meine Mitbewohnerin und gute Freundin auszog, um in einer anderen Stadt ihr Studium zu beenden. Was ich damals nicht wusste, war die Tatsache, dass ich mich rassistisch gegenüber einer Bewerberin verhielt. Es fällt mir schwer das zu schreiben und ich habe Jahre später erst verstanden, was ich gesagt hatte, was rassistisch war. Punkt. Wir brauchen es nicht beschönigen. Dazu kommt jetzt aber folgende Tatsache: Ich dachte selbst Jahre später noch, dass ich jemand bin, der sich definitiv nicht rassistisch verhalten würde. Keine Sorge, ich kläre noch auf, was ich damals sagte, denn Fehler zuzugeben ist der erste Schritt zur Besserung. Jemand, die Sprachen und Kulturen Afrikas im Bachelor studierte, vorhatte nach Namibia zu gehen und sich selbst als guter Mensch mit einer offenen Weltanschauung verstand in der alle Menschen gleich viel Wert waren, sagte rassistische Dinge zu einer Bewerberin. Unabsichtlich, aber das schützt vor Schuld oder Strafe nicht, wie wir alle in Bezug auf Gesetze verinnerlicht haben. 

 

Erst, als ich länger in Namibia lebte und durch einen Zufall eine meiner inzwischen besten Freundinnen kennenlerne, beschäftigte ich mich eingehender mit Rassismus, Programmierungen und Glaubenssätzen, mit denen wir als weiße Menschen aufwachsen. Taati ist eine Schwarze namibische Frau. Die schlauste, lustigste, schönste, inspirierenste und einfach wundervollste Person, die ich kennenlernen durfte. Gestern habe ich sie nur kurz angerufen, als meine Tochter bei der Kindergymnastik war. Ich stand am Rand, habe zugeschaut und mir vor Lachen fast in die Hose gepinktelt. Allerdings nicht wegen der Kinder, die alle wie Betrunkene durch die Turnhalle stolperten, sondern wegen dem tollen Gespräch mit einem meiner Lieblingsmenschen.

 

Aber zurück zum ernsteren Thema: Als ich bemerkte, was für alltagsrassistische Dinge einige meiner weißen Bekannten von sich gaben, während ich an anderen Tagen mit meiner Schwarzen Freundin zusammen saß, Kaffee trank und philosophierte, bemerkte ich, dass der Zeitpunkt gekommen war, mich von einem der Tische zu verabschieden. Es überrascht dich sicher nicht für welchen Tisch ich mich entschieden habe. Das bedeutete aber auch gleichzeitig, dass ich realisiert habe mich aktiv damit auseinander zu setzen, was Alltagsrassismus eigentlich bedeutet und in welchen Formen wir ihm begegnen und ob ich mich selbst eigentlich immer richtig verhalte oder ob ich auch Menschen durch mein Verhalten verletze oder verletzt habe. Neben Schwarzen Instagrammer:innen, denen ich folgte, Blogartikeln, die ich las und Podcasts, die ich hörte, scheute ich allerdings noch davor zurück mich dem Thema in seinem kompletten Ausmaß zu stellen. In Form von Büchern. Verrückt oder? Da ist sie also, diese weiße Arroganz. Ich informiere mich hier und dort ein bisschen, spreche mit meiner Schwarzen Freundin darüber, aber so richtig eintauchen will ich nicht?

 

Es bedeutet nämlich zwangsläufig sich mit seinen rassistischen Fehltritten auseinander zu setzen. Egal wie gut gemeint sie waren, denn es gibt auch s.g. "positiven Rassismus". Der ist keinesfalls positiv, sondern immer noch Rassismus. Ich hatte Angst davor in den Spiegel zu schauen, wenn ich ehrlich bin. Als ich es tat, waren es die Hörbücher "Meine Haut packt aus" von Brigitte Lunguieki Malungo und ein paar Monate später "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten" von Alice Hasters. Zu dem Zeitpunkt wusste ich zwar schon einiges, aber ganz ehrlich: Ich habe mich geschämt, denn ich musste an die Situation in meiner WG zurück denken. Damals fragte ich die Interessentin, wo sie denn herkäme. Der Auslöser war ihre Hautfarbe. Als sie sagte "Leipzig", fragte ich tatsächlich wo ihre Wurzeln denn liegen würden und dass mich das interessieren würde, weil ich Afrikanistik studiere. Oh mein Gott! Ich muss wirklich gleich meine Bluse wechseln, denn ich habe Schweißausbrüche während ich dies tippe. Ja, ich habe mich damals echt rassistisch verhalten in einer Situation in der ich dachte, dass das alles total cool und angenehm war. WTF?! Ich erinnere mich noch daran, wie ich ihr danach auf Facebook die Zusage für das Zimmer gegeben habe und sie mir nicht zurück geschrieben hatte. Gar nicht. Und ich mich gewundert habe. Jahre später wurde mir klar, warum. Sie wollte offensichtlich nicht mit einer Rassistin zusammenziehen.

 

Ein Teil in mir dachte dann sogar noch, dass sie mich doch darauf hätte hinweisen können, dass diese Frage rassistisch war. Dann hätte ich es früher gelernt. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann kann man aber vermuten, dass ich zu dem Zeitpunkt überhaupt gar nicht eingesehen hätte, warum es nicht okay war das zu fragen und mich sicherlich gerechtfertigt hätte. Auf der Instagramseite von Tupoka Ogette erfuhr ich außerdem im Zuge meiner Auseinandersetzung mit der Thematik in einem ihrer Posts, dass es ermüdend für Betroffene ist, immer wieder Aufklärungsarbeit leisten zu müssen, nur weil wir weißen Menschen uns nicht weiterbilden wollen. Also, egal wo ihr gerade in eurer Aufklärung und in eurem Aktivismus steht. Ich denke es gab keinen wichtigeren Zeitpunkt als jetzt, um sich aktiv darum zu kümmern sich antirassistisch zu bilden und das eigene Verhalten zu reflektieren.

 

Eine kleine Anekdote möchte ich noch mit euch teilen, zu der mich meine Weiterbildung in diesem wichtigen Punkt gebracht hat: Eines Abends besuchte ich seit Monaten wieder für ein berufliches Event meines Mannes die Stadt in der meine Freundin Taati lebt und wo wir uns damals kennengelernt haben, bevor wir 400km weit weg an die Küste Namibias gezogen sind. Als unsere Kinder schliefen, verabredeten wir beide uns im Restaurant der Lodge, wo wir übernachteten auf ein Glas Rotwein, Spaghetti Bolognese und Pizza. Meine Schwarze Freundin zeigte mir stolz ihre frisch gemachten Locks, also ihre Haare. Instinktiv fasste ich sie mitgerissen von ihrer Euphorie an, nur um mich kurz darauf peinlich berührt zu entschuldigen, weil das ungefragte Anfassen von Haaren von Schwarzen Menschen rassistisch ist - das habe ich schließlich in meinen Hörbüchern so gelernt. Dennoch machte mein Körper etwas anderes und ich griff in ihre wundervoll frisch gestylten Haare.

 

Peinlich  berührt sagte ich ihr direkt, dass es mir unsagbar Leid tut und ich es nicht hätte tun sollen, aber Taati sagte zu mir: "Girl, we are sisters. I just bragged to you about my new hairstyle. In this particular situation touching my hair is totally fine."

 

Und das ist ungefilterte Freundschaft. Dafür bin ich ihr für immer dankbar, denn abgesehen von alle den schweren Themen wie Rassismus, ist es wirklich schwer in seinen Dreißigern noch neue Freundeschaften zu knüpfen, die tiefer sind als der Alltag.

 

Wenn auch du dein Wissen über Alltagsrassismus, Rassismus und Mikroaggression erweitern möchtest, dann empfehle ich dir von Herzen das wunderbare Hörbuch "Meine Haut packt aus" von Brigitte Luguieki Malungo.

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